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Samstag, 8. Juni 2013

Die Sache mit der "Wahrheitsbehörde" - Ein Rückblick



Die Broschüre des Bundesumweltamtes zum Klimawandel („Und sie erwärmt sich doch“), die auch hier kritisch kommentiert worden ist (s. auch hier), hat ein unerwartet großes Echo auch außerhalb des Kreises der „üblichen Verdächtigen“ gefunden. Die Diskussion litt (und leidet) allerdings unter dem Umstand, dass die – einer abschließenden Antwort gegenwärtig gerade noch nicht zugängliche – Frage nach der Richtigkeit der vom UBA präsentierten Befunde und Wirkzusammenhänge mit der Frage nach der Zulässigkeit der Art und Weise der Präsentation, insbesondere apodiktischen und andere Auffassungen nicht mehr tolerierenden Feststellungen sowie persönlichen Angriffen gegen Vertreter anderer Ansichten ("Klimaleugner"), vermischt worden sind. Nachdem sich die Debatte nunmehr etwas beruhigt hat, seien zwei Reaktionen aber noch besonders hervorgehoben:

Zum einen die Stellungnahme der Wissenschafts-Pressekonferenz e.V. (WPK), die Umweltminister Peter Altmaier aufgefordert hat, eine weitere Verbreitung der Broschüre in dieser Form zu stoppen. Die WPK hält es für inakzeptabel, dass einzelne Journalisten vom Umweltbundesamt öffentlich vorgeführt und als inkompetent dargestellt werden, nur weil sie führende Klimawissenschaftler kritisieren. Es sei nicht Aufgabe einer staatlichen Institution festzulegen, welche Meinungen geäußert werden dürfen und welche nicht. Journalisten dürften und müssten unterschiedliche Positionen vertreten, und sie dürften und müssten immer wieder auch etablierte Wissenschaftler in Frage stellen. Im Übrigen könne es aber nicht Aufgabe einer Behörde sein, bestimmte wissenschaftliche Positionen quasi amtlich als wahr zu beurkunden.

Ebenfalls nüchtern und sachlich den entscheidenden Punkt herausgearbeitet hat ZEIT-Chefredakteur Josef Joffe, indem er auf den „absonderlichen Gestus des UBA“ hinweist: Eine Behörde werde zur Partei in einem Wissenschaftsstreit und verteile Gütesiegel – sozusagen „staatlich geprüft“ – an die Disputanten. Eine solche Behörde, die Wahrheiten dekretiere und Abweichler diskreditiere, trassiere den Weg in den Glaubensstaat, obwohl sich das UBA mit dem Titel „Und sie erwärmt sich doch“ in die Pose des Galileo werfe.

Letztlich dürften diese Positionen beim Umweltminister vielleicht auf gar nicht allzu viel Widerspruch stoßen: Der Minister hat zwischenzeitlich in einem Zeitungsinterview („Ich kann nicht alles lesen“) die von ihm an Statements von Bundesbehörden in seinem Verantwortungsbereich gestellten Anforderungen präzisiert: Entscheidend sei, ob die politische Position der Bundesregierung korrekt wiedergegeben werde und ob juristisch Fehler gemacht werden. Das Ergebnis einer Prüfung unter juristischen Gesichtspunkten sei, dass das Umweltbundesamt „juristisch wohl nicht angreifbar“ sei. Dem lässt sich immerhin eine Restunsicherheit in Bezug auf die Zulässigkeit des Vorgehens des UBA entnehmen. Auch erklärt der Minister weiter, dass er über die Frage, was klug und richtig sei, im jeweiligen Einzelfall mit seinen Mitarbeitern diskutiere. Der Minister solle Mitarbeiter nicht öffentlich kritisieren, wenn es keine juristischen und andere stichhaltigen Gründe dafür gebe. Hier klingt die übliche Praxis der Verwaltung an, dass sich bei öffentlicher Kritik an einer Behörde die Leitung nach außen (selbstverständlich) vor die Mitarbeiter stellt, ohne dass eine kritische Reflektion über den Sachverhalt dadurch ausgeschlossen würde, die dann aber hinter verschlossenen Türen erfolgt. Da die UBA-Broschüre angesichts des verheerenden Medienechos der Sache ihrer Urheber eher geschadet als genützt haben dürfte, bleibt zu hoffen, dass ein derartiger Beitrag einer Behörde zu fachwissenschaftlichen Fragen ein einmaliger Vorgang bleiben wird.