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Samstag, 15. November 2014

NOZ vs. Nuhr - ein Sturm im Wasserglas?



Ein Muslim türkischer Abstimmung mit deutschem Pass hatte einen Auftritt des Kabarettisten Dieter Nuhr zum Anlass genommen, eine Strafanzeige wegen angeblicher „Islamhetze“ zu erstatten; der Vorwurf zielte u.a. auf das Beschimpfen religiöser Bekenntnisse (§ 166 StGB). Das Verfahren hatte für erhebliches mediales Getöse gesorgt, das völlig außer Verhältnis zum Anlass stand: Es steht jedermann frei, beliebige Strafanzeigen auch mit an den Haaren herbeigezogenen Vorwürfen zu erstatten. Möglicherweise wird ein Betroffener von einer solchen Anzeige nicht einmal erfahren, wenn die Staatsanwaltschaft wegen der offensichtlichen Haltlosigkeit von Anschuldigungen die Akte sogleich wieder schließt. Es ist deshalb auch nicht richtig, wenn behauptet wird, dass die Staatsanwaltschaft in einem solchen Fall „ermittelt, weil zunächst zu prüfen ist, ob überhaupt hinreichender Anlass zu Ermittlungen besteht. Das „Ermittlungsverfahren“ ist denn jetzt auch sang- und klaglos eingestellt worden, weil – wie von vornherein feststand – ein strafrechtlich relevanter Tatbestand durch die in Rede stehenden Äußerungen nicht erfüllt wird.

Ist damit alles in Ordnung? Nur zum Teil, denn zwei Aspekte hinterlassen einen Nachgeschmack:

Zum einen ist in neuerer Zeit verstärkt die Unsitte zu beobachten, durch ebenso unsinnige wie öffentlichkeitswirksame Strafanzeigen erhöhte Aufmerksamkeit für beliebige Ansinnen generieren zu wollen. Auch bei der hier in Rede stehenden Anzeige handelt es sich ersichtlich um einen solchen Missbrauch der dadurch von der Erfüllung ihrer eigentlichen Aufgaben abgehaltenen Staatsorgane. Ein solches Vorgehen funktioniert nur, wenn sich hinreichend sachunkundige Medien finden, die zu derartigem Unfug ihre Hand reichen. Dieser Aufgabe hat sich die „Neue Osnabrücker Zeitung“ hier mit bemerkenswerter Bereitwilligkeit gewidmet. Zunächst wurde versucht, den Kabarettisten mit Vorwürfen zu Nebenfragen zu diskreditieren, die jedenfalls völlig überzogen waren. In der Sache selbst stand die Berichterstattung, die ein rundes Dutzend Artikel umfasst, völlig außer Verhältnis zum Anlass. Den Vorwürfen des Anzeigeerstatters wurde dabei breitester Raum eingeräumt und dabei in (mindestens) einem Artikel der Eindruck erweckt, bei den „Fans“ von D. Nuhr handele es sich im Wesentlichen um eher rechtsgerichtete Zeitgenossen mit einem gestörten Verhältnis zur Meinungsfreiheit des Anzeigeerstatters. Das ist ein stets wohlfeiler Vorwurf, weil so genannte „Islamkritik“ in der Tat zum Repertoire rechter und rassistischer Kreise gehört, weshalb sich D. Nuhr auch vor Zuspruch von der falschen Seite fürchtete. Zugleich hat D. Nuhr aber auch zu Recht hervorgehoben, dass die Verteidigung von Bürgerechten und Freiheit gerade ein Thema für die bürgerliche Mitte sein muss. 

Dies führt zu einem zweiten Aspekt: Wie bei einem Kabarettisten nicht anders zu erwarten, handelt es sich bei den inkriminierten Äußerungen um (satirische) Zuspitzungen, die das Wesentliche eines Sachverhalts offen legen sollen; diese genießen den Schutz der Meinungsfreiheit. Demgegenüber fehlt es an gegenläufigen Rechtsgütern des Anzeigeerstatters von Verfassungsrang,  ohne dass es auf die Frage der (zweifelhaften) Existenz einer „negativen“ Religionsfreiheit ankäme, weil es jedenfalls keinen grundrechtlichen Schutz vor Kritik an bestimmten Emanationen eines religiösen Bekenntnisses gibt. Auch die Meinungsfreiheit des Anzeigeerstatters ist nicht berührt, denn diesem bleibt unbenommen, durch die Strafanzeige oder in anderer Weise kund zu tun, dass er die beanstandeten Äußerungen für verboten und illegal hält. Dies illustriert aber zugleich, dass der Urheber der Anzeige die ihm missliebige Meinung verbieten würde, wenn er könnte. Eine solche Strafanzeige ist daher nichts anderes als ein religiös verbrämter Angriff auf die Meinungsfreiheit. Dazu passt, dass einer von dem Anzeigeerstatter gegründeten Partei verfassungsfeindliche Tendenzen attestiert wurden und der Anzeigeerstatter ausweislich eines nunmehr die Runde machenden Screenshots – dessen Echtheit unterstellt – die Israelis ins Meer treiben will. Vielleicht hätte der Osnabrücker Monopolpresse dies auch eine Erwähnung wert sein können.