Ein gelegentlicher
Blick aus dem Fenster in den letzten Wochen und Monaten zeigt: Erst will der
Winter nicht enden und dann wird es nicht Frühling. Ist das der Klimawandel? Wer
an der Veränderung des Klimas noch Zweifel hatte (obwohl Klimawandel wohl „immer“
stattfindet), darf sich nunmehr mit höchster amtlicher Autorität eines Besseren
belehrt sehen: Der Klimawandel findet statt – und seine Folgen sind menschengemacht.
Das jedenfalls sind die Kernaussagen einer aktuellen Broschüre des Umweltbundesamtes,
die unter dem Titel „Und sie erwärmt sich doch“ aus Steuermitteln finanziert
und vertrieben wird. Der Titel soll ersichtlich an das (fälschlich) Galileo
Galilei zugeschriebene Zitat „Und Sie bewegt sich doch“ erinnern, dass dieser
nach seiner Niederlage gegen Staats- bzw. Kirchenmacht gemurmelt haben soll.
Indes ist die Broschüre des UBA nicht das Produkt des Wirkens einsamer Streiter gegen eine
ignorante und verblendete Übermacht, die mit amtlicher Autorität gegen abweichende
Auffassungen vorgeht, sondern ihrerseits ein Produkt amtlichen Handelns (und unbekannter Verfasser), in dem
in einer Weise gegen dem „wissenschaftlichen
Konsens“ widersprechende
Thesen (S. 110) von „Klimawandelskeptiker(n)“ polemisiert wird, dass vom ZDF auf der Seite „heute.de“ ein „amtlicher Rufmord“ diagnostiziert wurde.
Und
dies macht die Sache politisch unappetitlich wie rechtlich fragwürdig:
Der verfassungsrechtliche
Rahmen für Stellungnahmen und Erklärungen von Regierungsstellen ist seit langem
abgesteckt: Staatliche und (kommunale) Stellen können sich nicht auf die
Meinungsfreiheit berufen, weil sie nicht Grundrechtsträger (sondern Adressaten
der Grundrechte) sind. Da aber das Handeln der Gubernative beständiger Gegenstand
politischer Kontroversen ist, steht der Regierung ein selbstverständliches und letztlich
in der staatlichen Kompetenzordnung wurzelndes Recht zur Teilnahme an öffentlichen
Auseinandersetzungen (unter Wahrung der Verbands- und Organkompetenzen) zu. Auch
im Übrigen sind die rechtlichen Vorgaben für informierendes Staatshandeln vom
Bundesverfassungsgericht namentlich in der „Glykolwarnung“-Entscheidung (1 BvR
558/91) und der „Osho“-Entscheidung (1 BvR 670/91) vom 26. Juni 2002 umrissen
worden. Die Aufgabe der Staatsleitung wird danach nicht zuletzt durch die
Verbreitung von Informationen an die Öffentlichkeit vorgenommen (1 BvR 558/91,
Rn. 52) Die Bundesregierung hat die Aufgabe, im Rahmen ihrer
Öffentlichkeitsarbeit auf aktuelle Fragen einzugehen (1 BvR 670/91, Rn. 73).
Dabei sind indes die Erfordernisse der Richtigkeit und Sachlichkeit von
Informationen zu beachten, was – letztlich wohl unter Aspekten der Verhältnismäßigkeit
– dazu verpflichten kann, Informationen mit angemessener Zurückhaltung zu
formulieren (vgl. 1 BvR 558/91, Rn. 59, s. auch 1 BvR 670/91, Rn. 91).
Auf
Basis dieser – durchaus fragwürdigen – Rechtsprechung ist es sicher nicht zu
beanstanden, wenn die Bundesregierung darlegt, von welchen tatsächlichen Überzeugungen
sie sich bei ihrer Klimapolitik leiten lässt und auf welchen Erkenntnissen diese
Überzeugungen beruhen. Befremden müsste demgegenüber schon, wenn eine Regierungsstelle
versuchte, denn Stand der Erkenntnis in einer fachwissenschaftlichen Frage
verbindlich zu beschreiben, denn dies darf den Fachwissenschaftlern überlassen
bleiben. Erst recht ist es weder wissenschaftlich noch rechtlich angängig, wenn
wissenschaftliche „Wahrheiten“ – und damit letztlich nur der aktuelle Stand des
Irrtums – mit amtlicher Autorität verkündet werden; die Entscheidung
fachwissenschaftlicher Kontroversen ist schon keine Staatsaufgabe. Die der
Informationstätigkeit des Staates gezogenen Grenzen werden daher überschritten,
wenn eine Bundesbehörde eine fachwissenschaftliche Diskussion autoritativ zu entscheiden
versucht und Verfechter abweichender Meinungen öffentlich „vorgeführt“ werden. Der hier vorliegende Versuch einer
Regierungsbehörde, eine wissenschaftliche Kontroverse verbindlich zu
entscheiden, dürfte denn auch in dieser Form einzigartig sein. Sie stellt eine
massive Grenzüberschreitung dar, die in ihrer Anmaßung ein erschütterndes
Schlaglicht auf das Selbstverständnis der betreffenden Behörde wirft.