Der Osnabrücker
Oberbürgermeister Griesert (CDU) hat gegen den Beschluss des Rates der Stadt
Osnabrück, eine Teilentwidmung des Platzes „Neumarkt“ vorzunehmen, den in der
Kommunalverfassung vorgesehenen Einspruch eingelegt. Hiergegen verwahrt sich die von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen angeführte „Regenbogenkoalition“,
die von der FDP bis zur „Die Linke“ reicht. Dabei geht es jetzt nicht mehr nur
um unterschiedliche Rechtspositionen (dazu 1.), sondern auch den Umgang mit
unterschiedlichen Rechtspositionen. Das Argumentationsmaterial, mit dem seitens
der Ratsmehrheit agiert – oder besser: agitiert – wird, verlässt nämlich den
Bereich des Redlichen. Entweder handelt es sich bei den neuesten Presseerklärungen von
SPD und Grünen um Dokumente völliger Ahnungslosigkeit oder diese Fraktionen
hoffen, dass den Bürgern die Abwegigkeit ihrer Argumentation entgeht (dazu 2.).
1. Die SPD-Fraktion
hatte bereits im Vorfeld der Beschlussfassung ein Rechtsgutachten einer
Anwaltskanzlei eingeholt, dem zufolge der geplante Beschluss rechtmäßig sei. Leider
hat dieses Gutachten die Stadtverwaltung zu Recht nicht überzeugen können, da
das entscheidende Problem des Widerspruchs der Teilentwidmung zur existierenden
Bauleitplanung in dem Gutachten aufgrund der Leugnung eines solchen Widerspruchs
gar nicht behandelt wird (näher hier). Die Gutachter wurden daher jetzt erneut befragt und
gelangen zu dem Ergebnis, es sei „nichts
dafür ersichtlich, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen
(rechtmäßigen) Einspruch des Oberbürgermeisters gegen den Ratsbeschluss vom
05.04.2016 zur Änderung der Verkehrsbeziehungen auf dem Neumarkt vorliegen“.
Insbesondere sei der Ratsbeschluss weder zu unbestimmt noch stünden ihm die
Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 525 entgegen.
Da die neue Stellungnahme anders als
das vorangegangene Gutachten bislang nicht öffentlich gemacht wurde, kann die
Begründung für diese Position nur anhand der Wiedergabe des wesentlichen Inhalts in der Presse bewertet werden. Bei aller Zurückhaltung gegenüber einer gelegentlich
unpräzisen oder auch verkürzenden Darstellung differenzierter juristischer
Argumentation in den Medien trägt die Begründung das gefundene Ergebnis danach
aber erkennbar nicht.
a) Der Oberbürgermeister hat seinen
auf der Website der Stadt publizierten Einspruch u.a. damit begründet, dem
Beschluss sei nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit zu entnehmen, welche Maßnahmen
nunmehr seitens der Verwaltung zu ergreifen seien. Der Beschluss sei nicht umsetzbar,
weil in dessen Nr. 1 die Begrenzung auf den Fußgängerverkehr verlangt werde, während
Nr. 2 eine Beschränkung nur für bestimmte Gruppen von Motorfahrzeugen und bestimmte
Nutzungszwecke vorsehe. Ob das überzeugend ist, mag dahinstehen. Rätselhaft
ist aber, wie dem Einwand einer nicht hinreichend präzisen Vorgabe für die
Verwaltung entgegengehalten werden kann, „dass der Ratsbeschluss nur den Auftrag an die
Verwaltung enthalte, eine Teileinziehung vorzubereiten“. Wenn der OB einen unklaren
Arbeitsauftrag beanstandet, ist es wenig überzeugend, dem entgegenzuhalten, es
liege nur ein Auftrag an die Verwaltung vor.
b) Der Oberbürgermeister hat weiter ausgeführt, dass der Ratsbeschluss vom
5. April 2016 mit der Festsetzung des Neumarktes als öffentliche Straßenverkehrsfläche
im B-Plan 525 nicht zu vereinbaren sei. Zur Begründung wird zutreffend
hervorgehoben: „Wenn ... der Bebauungsplan eine normative (satzungsmäßige) Zweckbestimmung
vorgibt, so muss sich die durch Widmung ... zulässige Konkretisierung in diesem
vorgegebenen Rahmen halten“. Dem soll das Gutachten entgegenhalten, dass der Flächennutzungsplan,
der die über den Neumarkt führende Verbindung als sonstige überörtliche oder
örtliche Hauptverkehrsstraße klassifiziere, nicht dazu zwinge, alle
Verkehrsarten zuzulassen. Grundsätzlich gelte: Der Flächennutzungsplan habe –
anders als der Bebauungsplan – keine Rechtsbindung.
Ob hier eine korrekte Wiedergabe des Gutachteninhalts erfolgt ist,
erscheint allerdings als zweifelhaft, denn es kann nicht angenommen werden,
dass in einem Rechtsgutachten ernsthaft die These vertreten wird, ein Flächennutzungsplan
entfalte keine „Rechtsbindung“. Richtig ist allein, dass ein Flächennutzungsplan
anders als ein Bebauungsplan keine Außenrechtsverbindlichkeit besitzt und deshalb
keinen Normcharakter hat. Er enthält aber verbindliche Vorgaben für den Inhalt
eines Bebauungsplans (§ 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB). Folgerichtig zieht der
Oberbürgermeister den Inhalt des Flächennutzungsplans für die Auslegung des
Bebauungsplans mit heran. Dieses Vorgehen ist völlig lege artis und führt
zutreffend zu dem Ergebnis, dass für örtliche „Hauptverkehrszüge“ eine
Beschränkung auf bestimmte Nutzungszwecke nicht in Betracht kommt, weil derartige
Straßen ihrer Zweckbestimmung nur entsprechen könnten, wenn sie alle Benutzungsarten
umfassten. Wenn danach aber der Bebauungsplan eine derartige Festsetzung
enthält, kommt es nicht mehr darauf an, ob er eine solche enthalten muss; jedenfalls
müsste zunächst der Bebauungsplan geändert werden.
2. Auf Basis der Ausführungen der Gutachter lässt Rot-Grün es in den im wesentlichen
wortgleichen Presseerklärungen dann richtig krachen: „Der Einspruch des OB
gegen den Ratsbeschluss dient offensichtlich nur dem Zweck, die Umsetzung des
Willens der Ratsmehrheit von Zweidritteln aller Ratsmitglieder zu verhindern
oder zumindest zu verzögern“. Und weiter: „Wenn der OB wirklich ernsthafte
Bedenken hätte, warum wendet er sich nicht an die Kommunalaufsicht? Stattdessen
versucht er mit juristischen Tricks die Umsetzung eines rechtmäßigen
Ratsbeschlusses zu blockieren. Dieses Vorgehen ist nicht nur undemokratisch.
Wer einer solchen Vorgehensweise bedarf, dem sind offensichtlich die Argumente
ausgegangen. Zeit, dass OB und CDU sich wieder an die Spielregeln halten und
zur Sachdebatte zurückkehren.“
Diese Ausführungen sind demagogischer Unfug: Zunächst kommt es auf eine Zweidrittelmehrheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt an. Auch hätte die Lektüre von § 88 Abs. 1 NKomVG die Vertreter der Mehrheitsfraktionen zu dem Schluss führen können, dass – entgegen unzutreffender Rechtsausführungen des Vorsitzenden der Fraktion der „Grünen“ in der Ratssitzung vom 5. April – der Oberbürgermeister entweder Einspruch einlegen oder die Kommunalaufsicht einschalten muss, wenn er einen Beschluss als rechtswidrig ansieht; die konkret zu treffende Maßnahme steht in seinem Ermessen. Der Einspruch ist daher weder ein „juristischer Trick“ noch „undemokratisch“. Erst recht bleibt rätselhaft, wieso ein Einspruch ein Anzeichen für fehlende Argumente oder gar ein Verstoß gegen „Spielregeln“ sein soll; das Gegenteil ist richtig. Offenbar haben die Mitglieder der Mehrheitsfraktionen auch nach (mindestens) fast 5 Jahren Ratsmitgliedschaft immer noch nicht verstanden, dass sie Teil der Verwaltung sind und ein freies Mandat deshalb nur im Rahmen des geltenden Rechts innehaben, der Bruch des Rechts aber auch nicht mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden kann.
Diese Ausführungen sind demagogischer Unfug: Zunächst kommt es auf eine Zweidrittelmehrheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt an. Auch hätte die Lektüre von § 88 Abs. 1 NKomVG die Vertreter der Mehrheitsfraktionen zu dem Schluss führen können, dass – entgegen unzutreffender Rechtsausführungen des Vorsitzenden der Fraktion der „Grünen“ in der Ratssitzung vom 5. April – der Oberbürgermeister entweder Einspruch einlegen oder die Kommunalaufsicht einschalten muss, wenn er einen Beschluss als rechtswidrig ansieht; die konkret zu treffende Maßnahme steht in seinem Ermessen. Der Einspruch ist daher weder ein „juristischer Trick“ noch „undemokratisch“. Erst recht bleibt rätselhaft, wieso ein Einspruch ein Anzeichen für fehlende Argumente oder gar ein Verstoß gegen „Spielregeln“ sein soll; das Gegenteil ist richtig. Offenbar haben die Mitglieder der Mehrheitsfraktionen auch nach (mindestens) fast 5 Jahren Ratsmitgliedschaft immer noch nicht verstanden, dass sie Teil der Verwaltung sind und ein freies Mandat deshalb nur im Rahmen des geltenden Rechts innehaben, der Bruch des Rechts aber auch nicht mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden kann.