Die „Alternative für Deutschland“ (AfD) gilt gemeinhin als Partei,
die „rechtspopulistisch“ – was auch immer das heißen mag – sei und ein
ungeklärtes Verhältnis zum „rechten Rand“ habe. Nachdem es nunmehr gelungen
ist, in weitere drei Landtage mit zweistelligen Ergebnissen einzuziehen, will man aber offenbar eine größere
Distanz zu anerkannten Rechtsextremisten etwa von der NPD wahren. Ob dies
angesichts mancher Erklärungen von AfD-Repräsentanten mehr als optische
Kosmetik ist, muss hier offenbleiben. Jedenfalls wurde jetzt gleich ein kompletter Landesverband aufgelöst, mag dies auch nur den Verband im Saarland –
Deutschlands beliebtester Maßeinheit zur Größe von rund 240.000
DFB-Fußballfeldern – betreffen; verschiedenen Repräsentanten des Landesverbandes werden offenbar Kontakte in die rechtsextremistische Szene vorgeworfen.
Unabhängig von diesem Hintergrund wirft der Vorgang ein paar
grundsätzliche parteienrechtliche Fragen auf:
1. Wirft man zunächst einen Blick in die Satzung der AfD, so findet man dort eine Regelung, in der neben einer Amtsenthebung des Vorstands in der Tat der Ausschluss eines gesamten Gebietsverbandes
vorgesehen ist, sofern „ein
Gebietsverband oder Gebietsvorstand schwerwiegend gegen die Grundsätze
oder die Ordnung der Partei“ verstößt (§ 8 Abs. 1). Ob diese Tatbestandsvoraussetzungen
hier vorliegen, lässt sich ohne nähere Kenntnis des Sachverhalts nicht entscheiden.
Immerhin ist aber zunächst festzuhalten, dass ein Gebietsverband nur durch seine
Organe handeln kann, so dass Vorgänge, die zu derartigen Ordnungsmaßnahmen berechtigen
könnten, nur auf Handlungen oder Beschlüssen des Vorstands oder eines Parteitags
beruhen können. Da aber offenbar im konkreten Fall nur auf Handlungen einzelner (Vorstands-)
Mitglieder reagiert wurde, erscheint schon nach dem Inhalt der Satzung zweifelhaft,
ob sogleich zum „letzten Mittel“ der Auflösung des Landesverbandes gegriffen
werden durfte; möglicherweise hätte vorrangig der Ausschluss der betreffenden
Personen oder eine Amtsenthebung des Vorstands erwogen werden müssen.
2. Dies wiederum
gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil mit der Auflösung des Landesverbandes zugleich
sämtliche Mitglieder ausgeschlossen wurden, was zu der weiteren Frage führt, ob
unabhängig von der Regelung in der Satzung eine Auflösung eines kompletten
Landesverbandes einer Partei durch deren Bundesvorstand rechtlich überhaupt
möglich ist. Dazu bedarf es eines kurzen Blicks auf die „vereinsrechtliche“
Struktur einer Partei:
a) Parteien
sind typischerweise als sog. „Gesamtvereine“ organisiert. Ihre rechtlich
selbständigen Untergliederungen sind danach selbst (im Regelfall nicht rechtsfähige)
Vereine. Diese Vereine sind mit der übergeordneten Ebene (nur) in der Weise
verbunden, dass die Mitgliedschaft in einem Gebietsverband die Mitgliedschaft in
den übergeordneten Gebietsverbänden vermittelt, die verschiedenen Ebenen also
jeweils die gleichen Mitglieder – bezogen auf das Gebiet der kleinsten Einheit –
haben. Anders gewendet: Es besteht allein Identität der Mitglieder, die
nachgeordneten Verbandsebenen sind hingegen – wie vielfach übersehen wird –
selbst nicht Mitglieder der übergeordneten Ebene; es gibt insbesondere keine
Mitgliedschaft der Landesverbände in der Bundespartei.
Diese Struktur
weist erkennbar auch die AfD auf: In der Satzung ist bestimmt, dass die
Partei sich in Landesverbände mit Personal, Satzungs- und Finanzautonomie gliedere
(§ 9 Abs. 1), weitere Untergliederungen sind möglich (§ 9 Abs. 2 Satz 1). Über die Aufnahme entscheidet vorbehaltlich
abweichender Regelungen in einer Landessatzung der Vorstand des niedrigsten
rechtlich selbständigen Gebietsverbands, in dem der Antragsteller seinen Hauptwohnsitz hat (§ 4 Abs. 1).
b) Damit liegen
die Probleme auf der Hand:
aa) Die
Auflösung eines Landesverbandes ist die Auflösung eines rechtlich selbständigen
Vereins. Entfällt dieser Verein, entfällt aber auch die Mitgliedschaft in diesem
Verein, die zugleich die Mitgliedschaft in dem „übergeordneten“ Verein
vermittelt. Diese entfällt damit ebenfalls. Im Grunde läuft die Auflösung eines
Landesverbandes damit auf den Ausschluss aller Mitglieder dieses
Landesverbandes hinaus. Soweit der Bundesvorstand der AfD ausweislich eines Berichts in der „Zeit“ eine fortdauernde Mitgliedschaft der saarländischen Mitglieder in der Bundespartei postuliert, trifft dies mithin nicht zu. Es liegt aber auf der Hand, dass ein solches Vorgehen mit
den Voraussetzungen kollidieren muss, an die der Ausschluss eines Mitglieds
nach § 10 PartG gekoppelt ist.
bb) Hinzu
kommt, dass mit der Auflösung der nachgeordneten Verbandsgliederung die Auflösung
eines eigenständigen Vereins durch einen anderen Verein – die übergeordnete
Ebene – erfolgt ist. Dass ein Verein befugt ist, auf die Existenz eines anderen
Vereins zuzugreifen, ist allerdings ein eher fernliegender Gedanke. Bislang
können Vereine nicht einfach andere Vereine auflösen. Eine hierzu berechtigende
Satzungsregelung muss daher ins Leere gehen.
Ergebnis: Der
Landesverband der AfD im Saarland ist nicht wirksam aufgelöst worden.