Im Stadtstaat Bremen (genauer: in der Stadtgemeinde Bremen) existieren
Stadtteilparlamente (Beiräte), die insbesondere die Belange der Stadt- und Ortsteile
gegenüber der Zentralverwaltung geltend machen sollen und analog den kommunalen
Vertretungsorganen in Flächenstaaten konstituiert sind. In einem dieser Gremien
ist es jetzt zu einem Lehrstück über den Missbrauch von Mehrheiten für
parteipolitische Machtspiele gekommen, der das staunende Publikum offenen Mundes
zurücklässt.
Der Beirat des nordbremischen Ortsteils Blumenthal hatte sich mit einem Bürgerantrag und einem Antrag der Fraktion „Bündnis ‘90/Die Grünen“zu befassen, die auf den Abbau einer Videoanlage zur Überwachung eines Bolzplatzes zielten; dieser Bolzplatz wird von einem Verein finanziert und getragen. In der betreffenden Sitzung Mitte September stellte sich heraus, dass
insgesamt vier der Beiratsmitglieder dem Verein (bzw. deren Vorstand) angehören.
Diese Beiratsmitglieder erklärten sich für „befangen“. Damit gemeint ist das
Vorliegen eines Mitwirkungsverbots, das nach § 20 Abs. 2 Nr. 4 des
Beirätegesetzes (nur) dann eingreift, wenn ein Beiratsmitglied als Vorstandsmitglied oder
Geschäftsführer(in) eines Vereins oder Verbandes an einer Sache „unmittelbar
beteiligt“ ist.
Sodann wurden die beiden Mitglieder der Beiratsfraktion von
„Bündnis 90/Die Grünen“ unter Berufung auf eine entsprechende Rechtsauskunft der
Senatskanzlei gleich mit ausgeschlossen: Einem Mitglied widerfuhr dies, weil es
sich nicht nur kritisch zu der Videoüberwachung geäußert, sondern auch die
Staatsanwaltschaft eingeschaltet hatte, das andere Beiratsmitglied traf der Bannstrahl,
weil es sich um die Mutter des vorgenannten Beiratsmitglieds handelt.
Die Senatskanzlei hat bestätigt, eine solche Auskunft tatsächlich erteilt zu haben. Das überrascht, weil die Annahme eines
Mitwirkungsverbots in diesem Falle nicht einmal ernsthaft diskussionswürdig
ist: Das Mitwirkungsverbot des Beirätegesetzes – eine Befangenheit kennt das
Berätegesetz ebenso wenig wie das Kommunalrecht – ist analog den
Mitwirkungsverboten in Kommunalverfassungen konzipiert. Es setzt voraus, dass
die Entscheidung dem ausgeschlossenen Beiratsmitglied oder einem nahen
Angehörigen einen „unmittelbaren Vor- oder Nachteil“ bringen könnte. Hier ist aber
schon nicht ersichtlich, welcher individuelle Vor- oder Nachteil für ein
Beiratsmitglied aus einer Sachentscheidung über Anträge auf Abbau der Videoanlage
resultieren soltte. Entgegen der Ansicht der Senatskanzlei kann insbesondere aus
einer Anzeige eines Sachverhaltes bei der Staatsanwaltschaft für sich genommen kein
persönlicher Vorteil aus einer Beiratsentscheidung bezüglich des angezeigten
Sachverhalts resultieren, denn bei einer solchen „Anzeige“ handelt es sich lediglich
um eine Mitteilung, kombiniert mit einer Aufforderung zur Sachverhaltsprüfung. Erst
recht steht kein „unmittelbarer“ Vor- oder Nachteil durch eine Beschlussfassung
im Raum, denn ein solcher Vor- oder Nachteil muss ohne weitere Zwischenschritte
direkt aus der Beschlussfassung oder deren Umsetzung resultieren. Ein wie auch immer gearteter
– oder gar unmittelbarer – Zusammenhang zwischen einer Beschlussfassung über
einen (Bürger-) Antrag und einer Einschaltung der Staatsanwaltschaft besteht
indes nicht.
Dass es hier an einem unmittelbaren Zusammenhang fehlt, hatdie Senatskanzlei denn auch später selbst erkannt und den Beirat aufgefordert, den Beschluss über den Ausschluss der Mitglieder der Fraktion „Bündnis ‘90/Die Grünen“zu korrigieren. Bei der SPD-Beiratsfraktion demonstrierte man indes – wohl im
Interesse der Mehrheitssicherung – Halsstarrigkeit: Eine Aufhebung der Ausschlusses
der grünen Beiratsmitglieder wurden in der Oktobersitzung des Beirates ausdrücklich
abgelehnt – unter Mitwirkung der zuvor ausgeschlossenen Beiratsmitglieder. Nach Lage der Dinge dürfte dieser Beschluss nunmehr eine rechtsaufsichtliche Intervention zur Folge haben; auch wird es an der Wirksamkeit der jetzt gefassten
Beschlüsse fehlen, mit denen die Anträge auf Abbau der Videoanlage abgelehnt wurden.
Die Sache bleibt also auf der Tagesordnung.