Ein Muslim türkischer Abstimmung mit deutschem Pass hatte einen
Auftritt des Kabarettisten Dieter Nuhr zum Anlass genommen, eine Strafanzeige
wegen angeblicher „Islamhetze“ zu erstatten; der Vorwurf zielte u.a. auf das
Beschimpfen religiöser Bekenntnisse (§ 166 StGB). Das Verfahren hatte für
erhebliches mediales Getöse gesorgt, das völlig außer Verhältnis zum Anlass
stand: Es steht jedermann frei, beliebige Strafanzeigen auch mit an den Haaren
herbeigezogenen Vorwürfen zu erstatten. Möglicherweise wird ein Betroffener von
einer solchen Anzeige nicht einmal erfahren, wenn die Staatsanwaltschaft wegen der
offensichtlichen Haltlosigkeit von Anschuldigungen die Akte sogleich wieder
schließt. Es ist deshalb auch nicht richtig, wenn behauptet wird, dass die Staatsanwaltschaft in einem solchen Fall „ermittelt, weil zunächst zu prüfen ist, ob überhaupt
hinreichender Anlass zu Ermittlungen besteht. Das „Ermittlungsverfahren“ ist denn jetzt auch sang- und klaglos eingestellt worden, weil – wie von vornherein feststand – ein strafrechtlich
relevanter Tatbestand durch die in Rede stehenden Äußerungen nicht erfüllt
wird.
Ist damit alles in Ordnung? Nur zum Teil, denn zwei Aspekte
hinterlassen einen Nachgeschmack:
Zum einen ist in neuerer Zeit verstärkt die Unsitte zu
beobachten, durch ebenso unsinnige wie öffentlichkeitswirksame Strafanzeigen
erhöhte Aufmerksamkeit für beliebige Ansinnen generieren zu wollen. Auch bei
der hier in Rede stehenden Anzeige handelt es sich ersichtlich um einen solchen
Missbrauch der dadurch von der Erfüllung ihrer eigentlichen Aufgaben
abgehaltenen Staatsorgane. Ein solches Vorgehen funktioniert nur, wenn sich
hinreichend sachunkundige Medien finden, die zu derartigem Unfug ihre Hand
reichen. Dieser Aufgabe hat sich die „Neue Osnabrücker Zeitung“ hier mit
bemerkenswerter Bereitwilligkeit gewidmet. Zunächst wurde versucht, den
Kabarettisten mit Vorwürfen zu Nebenfragen zu diskreditieren, die jedenfalls völlig überzogen waren. In der Sache selbst stand die Berichterstattung, die
ein rundes Dutzend Artikel umfasst, völlig außer Verhältnis zum Anlass. Den
Vorwürfen des Anzeigeerstatters wurde dabei breitester Raum eingeräumt und
dabei in (mindestens) einem Artikel der Eindruck erweckt, bei den „Fans“ von D.
Nuhr handele es sich im Wesentlichen um eher rechtsgerichtete Zeitgenossen mit
einem gestörten Verhältnis zur Meinungsfreiheit des Anzeigeerstatters. Das ist ein stets wohlfeiler Vorwurf, weil so genannte
„Islamkritik“ in der Tat zum Repertoire rechter und rassistischer Kreise gehört,
weshalb sich D. Nuhr auch vor Zuspruch von der falschen Seite fürchtete. Zugleich
hat D. Nuhr aber auch zu Recht hervorgehoben, dass die Verteidigung von
Bürgerechten und Freiheit gerade ein Thema für die bürgerliche Mitte sein muss.
Dies führt zu einem zweiten Aspekt: Wie bei einem
Kabarettisten nicht anders zu erwarten, handelt es sich bei den inkriminierten Äußerungen
um (satirische) Zuspitzungen, die das Wesentliche eines Sachverhalts offen
legen sollen; diese genießen den Schutz der Meinungsfreiheit. Demgegenüber
fehlt es an gegenläufigen Rechtsgütern des Anzeigeerstatters von
Verfassungsrang, ohne dass es auf die
Frage der (zweifelhaften) Existenz einer „negativen“ Religionsfreiheit ankäme, weil es jedenfalls keinen
grundrechtlichen Schutz vor Kritik an bestimmten Emanationen eines religiösen
Bekenntnisses gibt. Auch die Meinungsfreiheit des Anzeigeerstatters ist
nicht berührt, denn diesem bleibt unbenommen, durch die Strafanzeige oder in
anderer Weise kund zu tun, dass er die beanstandeten Äußerungen für verboten
und illegal hält. Dies illustriert aber zugleich, dass der Urheber der Anzeige die
ihm missliebige Meinung verbieten würde, wenn er könnte. Eine solche Strafanzeige ist
daher nichts anderes als ein religiös verbrämter Angriff auf die
Meinungsfreiheit. Dazu passt, dass einer von dem Anzeigeerstatter gegründeten
Partei verfassungsfeindliche Tendenzen attestiert wurden und der Anzeigeerstatter
ausweislich eines nunmehr die Runde machenden Screenshots – dessen Echtheit
unterstellt – die Israelis ins Meer treiben will. Vielleicht hätte der
Osnabrücker Monopolpresse dies auch eine Erwähnung wert sein können.