Jeder Jurastudent wird spätestens bei der Befassung mit
Staatshaftungsrecht in der Examensvorbereitung mit ihm konfrontiert: Dem „Nassauskiesungsbeschluss“des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1981 (BVerfGE 58, 300), mit dem die Dogmatik des grundgesetzlichen
Eigentumsschutzes bei schädigenden staatlichen Einwirkungen wieder vom Kopf auf
die Füße gestellt wurde. Das Bundesverfassungsgericht verwirft die Idee des „enteignungsgleichen
Eingriffs“ und stellt klar, dass die Abwehr rechtswidrigen Staatshandelns durch
die dafür vorgesehenen Rechtsbehelfe gegenüber einer Entschädigung in Geld vorrangig
ist. Auch wenn der „enteignungsgleiche Eingriff“ für den Fall anderweitig nicht
abwehrbarer Beeinträchtigungen („Holzstapelbrand beim Übungsschießen“) zwischenzeitlich
zurückgekehrt ist, ist es daher geltendes Verfassungsrecht, dass ein
Betroffener primär die Abwehr der Beeinträchtigung zu versuchen hat. Schadensersatzansprüche
außerhalb des Amtshaftungsrechts kommen nur ausnahmsweise in Betracht.
Diese Regeln des deutschen Verfassungsrechts könnten durch
den Bundestag mit verfassungsändernder Mehrheit geändert werden, indem andere
rechtliche Vorgaben im Grundgesetz (z. B. in Art. 34 GG) verankert würden. Oder
durch Angela Merkel – durch den Abschluss des TTIP-Abkommens. Denn dieses
Abkommen sieht (nichtstaatliche) Schiedsgerichte vor, vor denen private Unternehmen
einen Vertragsstaat unmittelbar auf Entschädigung für (angeblich) erlittenes „Unrecht“
– bis hin zu nicht realisierten Gewinnerwartungen – sollen in Anspruch nehmen
können. Ein vorgängiges Nachsuchen etwa um verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz
wird damit entbehrlich; Wohlverhalten von Regierungen kann unmittelbar durch Androhung
exorbitanter Schadensersatzforderungen erzwungen werden.
Die verfassungsrechtlich vorgesehenen Mechanismen für etwaiges
Staatsunrecht werden damit unterlaufen – es präsentiert sich die Rechtsfigur der
„verfassungsdurchbrechenden völkerrechtlichen Vereinbarung“. Demnächst wird
daher der Inhalt der Verfassung sich analog den Zuständen in der Weimarer Republik
nicht mehr aus dem Text des Grundgesetzes ergeben, sondern nur unter
Berücksichtigung der anderweitigen Durchbrechungen feststellen lassen. Zu Recht
warnt daher der ehemalige Verfassungsrichter Siegfried Broß davor, dass "auf dem Weg
einer zwischenstaatlichen Vereinbarung über den Freihandel materiell die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland in einem
Staatsorganisationsprinzip geändert" werde. Gerade materielle Verfassungsänderungen
ohne Änderung des Wortlautes soll Art. 79 Abs. 1 Satz 1 GG jedoch verhindern. Respekt
vor einer solchen grundlegenden Entscheidung der Verfassung – schon das ist offenbar
zu viel verlangt.