Heute hat Bundesverkehrsminister A. Dobrindt die Erhebung der „Infrastrukturabgabe für die Benutzung von Bundesfernstraßen“ einstweilen auf Eis gelegt, indem die Vorbereitung der Erhebung der PKW-Maut durch
Ausschreibung der erforderlichen technischen Systeme bis zu einer etwaigen
Entscheidung des EuGH verschoben worden ist. Den Hintergrund bildet das
angekündigte Vertragsverletzungsverfahren der Kommission gegen die
Bundesrepublik Deutschland. Dobrindt erklärte, weil die Bundesregierung den
Gerichtshof achte, halte sie die Maut bis zu dessen Entscheidung zurück; es
handele sich um einen "Akt des Respekts" gegenüber dem Gerichtshof.
Damit rückt die Erhebung der PKW-Maut jedenfalls in weite
Ferne, falls es dazu überhaupt noch kommt: Selbst wenn der Gerichtshof die
Infrastrukturabgabe wider Erwarten durchwinken sollte, werden die
entsprechenden Ausschreibungen wohl erst in einigen Jahren erfolgen können –
und bis zum Beginn der Mauterhebung weitere Jahre vergehen. Allerdings ist
schon unwahrscheinlich, dass der EuGH die schlitzohrige deutsche Argumentation mittragen
wird, die Maut werde von allen erhoben, Erhebung sowie Höhe der Kraftfahrzeugsteuer
seien aber eine allein nationale Angelegenheit. Es darf daher gemutmaßt werden, dass die (hohe)
Wahrscheinlichkeit einer Niederlage vor dem EuGH den Grund für das Zurückrudern
des Ministers bildet. Allerlei verbale Ausfälle von CSU-Politikern gegen die EU
waren daher im Lieferumfang ebenfalls enthalten. Dies kann aber nicht darüber
hinwegtäuschen, dass der Versuch der CSU, die ganze Nation für ein bayerisches
Spezialproblem wie die Mauterhebung in an Bayern angrenzenden Ländern in
Geiselhaft zu nehmen, auf sein absehbares Ende zusteuert.
Allerdings bleibt ein kleines Problem, dass größere
Aufmerksamkeit verdient hätte: Der Bundestag hat die Infrastrukturabgabe beschlossen
und das Gesetz ist nach Ausfertigung durch den Bundespräsidenten und Verkündung
im Bundesgesetzblatt (Nr. 22 v. 11.06.2015) am 12. Juni in Kraft getreten. Vor
diesem Hintergrund muss aber überraschen, dass sich der Bundesverkehrsminister aus
eigener Machtvollkommenheit für befugt hält, über dessen Umsetzung zu entscheiden.
Wenn der Bundesgesetzgeber ein Gesetz beschließt, obliegt den zuständigen
Exekutivorganen, für dessen Umsetzung auch Sorge zu tragen; eine ministerielles
Vetorecht oder gar eine Befugnis zur Umsetzungsverweigerung nach freiem
Belieben oder auch aus Respekt vor dem Europäischen Gerichtshof existiert
nicht. Daran ändert hier nichts, dass die PKW-Maut nach § 16 des Gesetzes erst erhoben
werden soll, wenn nach Schaffung der technischen Voraussetzungen deren Vorliegen
„unverzüglich“ festgestellt wurde, denn hieraus folgt gerade die Verpflichtung der
zuständigen Behörden und des zuständigen Ministers, ebenso „unverzüglich“ auf diese
Schaffung der technischen Voraussetzungen hinzuwirken und dies nicht auf einen
Tag in (ferner) Zukunft zu verschieben. Mit der „Aussetzung“ der PKW-Maut mag der
Minister daher seinen Respekt vor dem Europäischen Gerichtshof bekunden; Respekt
vor dem Gesetzgeber lässt er vermissen.