Der in den letzten Jahren stark gestiegene Flugverkehr hat
zur Folge, dass auch die Kondensstreifen zahlreicher geworden sind. Dies
wiederum lenkt die Aufmerksamkeit auf den Umstand, dass sich die Abgase von
Flugzeugen in Abhängigkeit von Wetterlage und Flughöhe unterschiedlich schnell
auflösen. Manche Menschen hängen daher dem letztlich auf mangelnder Sachkunde
beruhenden Glauben an, es handele sich um giftige „Chemtrails“, denen eine Verschwörung
finsterer Mächte (meist aus den USA) zugrunde liege, die aus unerfindlichen und in der
Szene kontrovers diskutierten Gründen diverse ebenfalls nicht exakt feststehende Chemikalien über den Menschen ausgießen.
Dass es sich dabei um groben Unfug handelt, liegt im Grunde
auf der Hand und ist durch Heranziehung sachkundiger Quellen relativ leicht
feststellbar. Indes ist es ein Kennzeichen von Verschwörungsjunkies, dass sie
ein stabiles Immunsystem gegenüber Tatsachen entwickelt haben.
Und an dieser Stelle kommt der niedersächsische Landtagsabgeordnete Martin
Bäumer von der CDU ins Spiel. Dieser offenbar nicht hinreichend ausgelastete
Parlamentarier machte sich bereits im vergangenen Jahr zum Sprachrohr
„besorgter Bürger“ und startete eine kleine Anfrage, in der er nach den Erkenntnissen der Landesregierung zu den Chemtrails fragte. Das sorgte für
Heiterkeit, der Forderung nach Verleihung des „Goldenen Aluhuts“ an den
wissbegierigen Abgeordneten, dröhnendem Schweigen der eigenen Fraktion und
einer ernsthaften Antwort der Landesregierung, in der dargelegt wurde, dass es
keine Chemtrails gibt.
Nun funktionieren Verschwörungstheorien nach dem Prinzip der
Bielefeld-Verschwörung, dem zufolge ihre Kritiker automatisch Teil der
Verschwörung sind. Die Antwort konnte daher nicht zur Zufriedenheit der
Chemtrail-Gläubigen und ihres parlamentarischen Repräsentanten ausfallen. Der gelernte
Sparkassenkaufmann hat daher noch einmal nachgelegt und eine umfangreichen
Fragenkatalog vorgelegt, dessen Beantwortung sogleich unter Hinweis auf die
einschlägige Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes zu den Fragerechten der
Abgeordneten ultimativ eingefordert wird.
An dieser Stelle allerdings hört der Spaß auf: Zunächst
stellt sich die Frage, ob die Rechtsprechung zum Recht auf Beantwortung kleiner
Anfragen ernsthaft den Zweck haben kann, den Abgeordneten von der Verpflichtung
zu entbinden, erst einmal eine gängige Suchmaschine zu bedienen, bevor der
Verwaltungsapparat des Landes in Bewegung gesetzt wird. Dies gilt hier um so
mehr, als die abwegigen und mit willkürlichen Zitaten unterfütterten Fragen zum
Geo-Engineering letztlich darauf hinauslaufen zu beanstanden, dass die Landesregierung nicht längst aus
eigenem Antrieb offenbar für dringlich erachtete Messungen zur Klärung (s)eines
Chemtrail-Verdachts veranlasst habe.
Die Antwort der Landesregierung fiel denn auch
erwartungsgemäß aus. Auf insgesamt 9 Seiten wird auf die einschlägigen rechtlichen
Vorgaben des Immissionsschutzrechts und zur Wasserreinhaltung verwiesen. Für
weitergehende Untersuchungen, die der paranoide Parlamentarier namentlich mit Blick auf die von Chemtrail-Gläubigen vermuteten Elemente Aluminium und Barium forderte, sieht die Landesregierung keinen Anlass (LT-Drs. 17/5996).
Damit hat sich die Landesregierung für den Aluhut-Abgeordneten endgültig verdächtig
gemacht: Die Weigerung der Landesregierung, entsprechende Untersuchungen anzustellen, erwecke den Eindruck, "man habe etwas zu verbergen".
Tatsächlich in Rede steht indes nur ein evidenter Missbrauch
des Fragerechts der Abgeordneten, indem ohne rational begründbares
Informationsinteresse erhebliche Ressourcen gebunden und auch Kosten verursacht
werden.
Die eigene Fraktion schweigt weiter zu dem seltsamen Treiben
ihres Mitglieds. Allerdings ist der Abgeordnete Bäumer einstimmig zum
Spitzenkandidaten seiner Parteigliederung für die bevorstehenden Kreistagswahlen im Osnabrücker Land nominiert worden. Ein Chemtrail-Troll als Kreistagskandidat der CDU – das ist
eine neue Dimension der Peinlichkeit.