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Mittwoch, 15. Juni 2016

Erhöhtes Beförderungsentgelt bei nicht mitgeführtem Semesterticket?

Wird jemand in Bus oder Bahn ohne Fahrkarte angetroffen, so muss die betreffende Person typischerweise ein „erhöhtes Beförderungsentgelt“ zahlen – das ist auch allgemein bekannt. Gleichwohl können derartige Vorgänge auch kompliziertere Rechtsfragen aufwerfen, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Der Versuch beispielsweise, die Eltern minderjähriger Schwarzfahrer auf ein erhöhtes Beförderungsentgelt von € 60,00 in Anspruch zu nehmen, führt zu einer Fülle von Rechtsfragen, die niemals das Licht oberhalb der Amtsgerichte erreichen und deshalb einer endgültigen Klärung kaum zugänglich sind. Aber auch einfacher gelagerte Fälle haben Ihre Tücken.

Ein Beispiel:

Die Studierendenschaft einer Hochschule gibt an alle Studierenden ein „Semesterticket“ aus, das zur Benutzung des örtlichen ÖPNV berechtigt. Für das Semesterticket zahlen die Studierenden auf Grundlage einer Satzung einen als „Semesterticketbeitrag“ bezeichneten Betrag, der Teil des Semesterbeitrags ist. Dieser Betrag entspricht dem Entgelt, dass ausweislich eines Vertrages zwischen den Studierendenschaft und dem Verkehrsunternehmen für jeden immatrikulierten Studierenden an das Verkehrsunternehmen zu zahlen ist. Dafür erwirbt die Studierendenschaft für ihre Mitglieder die Semestertickets. In dem Vertrag ist weiter vorgesehen, dass die tariflichen Beförderungsbedingungen gelten. Diese entsprechen im wesentlichen den Regelungen der Rechtsverordnung des Bundes über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen im ÖPNV.

Eine studierende Person wird in einem Fahrzeug des Verkehrsunternehmens ohne das Semesterticket angetroffen, weil sie ihren Studierendenausweis, der zugleich als Ticket gilt, in einer anderen Jacke vergessen hat. Kein Drama, sollte man meinen. Indes wird nach den Beförderungsbedingungen auch in diesem Falle grundsätzlich das erhöhte Beförderungsentgelt von € 60,00 fällig, sofern nicht die Berechtigung zur Inanspruchnahme der Leistung nachträglich binnen 7 Tagen nachgewiesen wird. In diesem Falle ermäßigt sich die Vertragsstrafe auf € 7,00. Damit soll offenbar der Verwaltungsaufwand ausgeglichen werden – für Mahnungen erkennen Gerichte hingegen weiterhin nur € 2,50 an.

Nur: Aus welchem Grunde gelten die Beförderungsbedingungen im Verhältnis zu den Studierenden? Diese sind zwar Mitglieder der Studierendenschaft, aber nicht selbst Partner des von dieser Körperschaft des öffentlichen Rechts geschlossenen Vertrages. Darin enthaltene Bestimmungen werden auch nicht anderweitig auf die Studierenden übergeleitet, da das Rechtsverhältnis zwischen Studierendenschaft und Studierenden öffentlich-rechtlich ausgestaltet ist: Die Studierenden zahlen einen Beitrag, der eine öffentlich-rechtliche (Gegen-) Leistung für die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Leistung oder Einrichtung bildet. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme wird damit aber durch die Studierendenschaft eröffnet; das Verkehrsunternehmen ist deren Erfüllungsgehilfe, dessen sich die Studierendenschaft bei der Leistungserbringung bedient. Daraus wird man folgern müssen, dass keine vertraglichen Beziehungen mit Hauptleistungspflichten zwischen Studierenden und Verkehrsunternehmen bestehen, in die allgemeine Beförderungsbedingungen einbezogen werden könnten.

Das unerwartete Ergebnis: Im Rahmen der Nutzung des ÖPNV aufgrund eines Semestertickets können keine erhöhten Beförderungsentgelte verlangt werden.