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Donnerstag, 20. Oktober 2016

Die geheimen Kandidaten der SPD ...

sind bzw. waren die Kandidatinnen und Kandidaten, die bei den Kommunalwahlen am 11. September 2016 in der Stadt Norden für den Kreistag des Landkreises Aurich kandidiert haben. Jedenfalls wenn es nach dem Willen der dortigen SPD gegangen wäre.

Zum Hintergrund: Ein kommunalpolitisches Thema im und in Norden ist der Bau eines neuen Zentralklinikums auf der grünen Wiese im Landkreis Aurich bei gleichzeitiger Schließung von drei dezentralen Krankenhäusern. Dagegen wendet sich eine Bürgerinitiative, die vor den Kommunalwahlen bei den Kandidatinnen und Kandidaten der Parteien deren Position („Ja“, „Nein“ oder „Enthaltung“) erfragen und publizieren wollte. Die SPD verweigerte indes ihre Mitwirkung an der Umfrage, weil man weder den genauen Text der geplanten Publikation noch das Datum der beabsichtigten Veröffentlichung gekannt habe. Dagegen ist nichts zu erinnern, denn niemand ist gezwungen, sich an derartigen Befragungen zu beteiligen.

Bei der SPD ging man indes einen Schritt weiter: Wie jetzt bekannt wurde, ließ die SPD Norden durch ihren Vorsitzenden, den vormaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Hans Forster, der Bürgerinitiative per Einschreiben mitteilen, man erwarte, auch Gelegenheit zu Erläuterungen zu erhalten. Für den Fall, dass man diese Möglichkeit nicht erhalte, werde untersagt, die Namen von Kandidatinnen und Kandidaten der SPD in einer Publikation der Initiative zu nennen. Auch wolle man mit Blick auf beabsichtigte Zeitungsanzeigen der Bürgerinitiative die ostfriesischen Zeitungen von dieser Entscheidung unterrichten.

Das allerdings ist rechtlich verfehlt: Da ein neues Krankenhaus entweder gebaut oder nicht gebaut wird, ist die Frage, ob man diesen Bau befürworte, einer klaren Antwort zugänglich. Diese Antwort muss man natürlich nicht geben. Einen Anspruch auf Raum für „Erläuterungen“ gibt es indes ebenso wenig wie die Möglichkeit, die Nennung von Namen von Kandidatinnen und Kandidaten zu untersagen. Diese Personen bewerben sich um ein öffentliches Amt. Ihre Positionierung oder auch unterbliebene Positionierung zu einer kommunalpolitisch umstrittenen Frage ist deshalb für die Wahlentscheidung der Bürger relevant, so dass es jedermann freisteht, das Verhalten der Kandidatinnen und Kandidaten einer Partei zu schildern und zu bewerten; auch unter Nennung der Namen von Bewerberinnen und Bewerbern. Wer für ein öffentliches Amt kandidiert, muss damit rechnen, dass über seine Positionen diskutiert und in diesem Zusammenhang auch der Name genannt wird, da nur auf dieser Grundlage eine Entscheidung für oder gegen einen Kandidaten möglich ist. Ohnehin hat niemand einen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit nur so wahrgenommen zu werden, wie der/die Betroffene es möchte (vgl. BVerfG v. 25.01.2012 – 1 BvR 2499/09, Rn. 37; s. ferner Beschl. v. 10.07.2002- 1 BvR 354/98, Rn. 20).


Besonderes Augenmerk verdient zudem das weitere Bestreben der SPD, durch eine Intervention bei der Ortspresse die Benennung der Namen ihrer Kandidatinnen und Kandidaten zu verhindern. Nicht das es noch soweit kommt, dass Zeitungen auch Artikel veröffentlichen, die nicht mit dem zuständigen Ortsverein abgestimmt sind. Da bleibt nur eine Frage: Wie konnte es jemand mit dem Demokratie- und Rechtsverständnis des Herrn Forster jemals in den Bundestag schaffen?